Wir hatten schon so manche Revolution aber keine hat die Verhältnisse wirklich grundlegend, dauerhaft umgewälzt und eine echte Befreiung des Einzelnen gebracht. Seit der Sesshaftwerdung, die für mich der eigentliche Sündenfall ist, die Vertreibung ins freudlose Paradies, werden uns die Verheissungen der «Kultur» als die bessere Natur angepriesen. Für die vermeintliche Sicherheit vor den Gefahren und Unwegsamkeiten eines selbstbestimmten Lebens geben wir die Freiheit auf. Die Herausforderungen und die Erfüllung, wenn uns unser Kunstwerk gelingt.
In Abständen lassen wir eine neue Garde ans Ruder kommen; doch jede spielt das alte Theater in umgenähten Kleidern weiter. Und wir tanzen mit ihnen in Endlosschleifen um den nackten Kaiser herum. Zuletzt die 68er aus gutem Haus, die nach einem Sommer der Liebe zurück in den Schoss ihrer Väter heimkehrten, um das wohlige Erbe anzutreten.
Ich will und brauche keine(n), der für mich spricht und sich dafür fürstlich bezahlen lässt, keine hohlen «Menschenrechte» die mir die Uno gnädigst erklärt. Wie lange? Zu welchem Preis? Rechte sind mir (und dir) angeboren. Ich will als Mensch über und für mich selbst entscheiden können. Ich glaube nicht an die Menschheit, sondern an den Menschen. Nicht an ein abstraktes Wir sondern ein mir gegenüberstehendes Du aus Fleisch und Blut.
Überall wollen Wichtigtuer, Scheinriesen à la Herr Tur Tur (Regierungen, Foren, Komitees, Kirchen, Clubs, IGs, G1-20) über uns befehlen.
Die französiche, die Oktober- und Novemberrevolutionen, die Kultur- und industrielle Revolution, die islamische, die Arabellion, die orangene und amerikanische – was haben sie gebracht? Beim Sturm auf die Bastille wurde ein Wort zuviel skandiert: égalité. Statt in diesen vergifteten Apfel zu beissen, hätten die Aufständischen besser Freiheit und echte Brüderlichkeit gelebt. Jedem Bruder (und Schwester) erlaubt, auf seine Façon glücklich zu werden. Statt Robespierres «Tugend durch Terror» zu verfallen, wären sie gescheiter dem republikanischen Danton gefolgt.
Die Welt ist das Produkt zweier Kräfte: Ursache und Wirkung zum einen, Zufall zum anderen. Für Religiöse gibt es eine dritte Instanz. Da halte ich es mit Napoleon, der sinngemäss sagte: Religion hält die Armen davon ab, die Reichen in ihren Villen zu töten.
Ich selber vertraue nicht auf Gott (was für mich notabene nicht das gleiche wie «das Göttliche» ist). Gott ist für mich nur eine Chiffre, eine weitere Kette, die die Menschheit gefangen und klein hält, uns durch Furcht und Belohnung gängelt. Vielmehr glaube ich, und das ist meine unerschütterliche Hoffnung, dass der schwarze Schwan, das stets Unerwartete, die Dinge aufmischt. Um in Frankreich zu bleiben: der Unmut alleine genügte nicht, es brauchte die Dürre, die extreme Kälte und sintflutartigen Regenfälle von 1788, um die Hungernden auf die Barrikaden zu schwemmen.
Das Establishment unterschätzt die Kraft der Schneeflocke, die zur Lawine schwillt. Das haben wir bei den Demos gegen die Coronamassnahmen gesehen. Nur sind wir zu früh geschmolzen. Aber was war das doch für ein buntes Volk auf den Strassen, viele zum ersten Mal am öffentlich Protestieren, aus den unterschiedlichsten «ways of life». Doch die meisten hatten dann doch Angst vor der eigenen Courage, davor, die Tür ins Ungewisse, wie Truman im gleichnamigen Film, in eine ungeschriebene Zukunft ganz aufzustossen.
Der Widerstand gegen die digital/medial/technologische Versklavung unter wechselnden Vorwänden (Klima, Covid, Frieden, Demokratie, Frauenfrage, etc.) geht von selber Denkenden, Unangepassten und Widerspengstigen aus.
Der Flügelschlag des Schmetterlings kann ein Kartenhaus, und das sind alle weltlichen Paläste, einstürzen lassen. Die Wende wird vielleicht nicht aus der Mitte, sondern vom Rande aus gehend ins Rollen kommen. Besonders auch aus jenen Generationen, die just noch an Freiheiten schnuppern durften oder einfach mit dem Funken der Freiheit in ihrer Seele auf die Welt gekommen sind.
Die Indoktrination durch Schule und Medien ist leider bei den jüngeren und naiven, Schlafwandlern sowie jenen, die sich im System einnisten wollen, schon sehr fortgeschritten und oft sind sie zu verwirrt oder abgelenkt um zu sehen, wohin die Reise geht. Obwohl auch sie das «Malaise» in der Kultur spüren müssen und ahnen, dass etwas faul ist im Staate (nicht nur) Dänemark.
Leider sehen viele den Feind am falschen Ort. Es ist nicht der «Neoliberalismus», der alte weisse Mann, die USA vs China, Putin oder das CO2 an den Zuständen schuld, sondern viel grundsätzlicher die Arroganz der Macht, die meint, eine abgehobene Schicht hätte das ihnen vermachte, erkaufte oder frech beanspruchte Recht, mehr wert zu sein, «es» besser zu wissen als die «Untergebenen», normalen, früher sagte man «kleinen Leute», also ich und Du.
Gestern bin ich mit einer wildfremden Frau ins Gespräch gekommen. Sie ist sicher in ihren 70ern und nachdem sie ihrem Verdruss, ja Ekel fast, gegen die heutigen Zustände in der Politik und Gesellschaft Ausdruck verliehen hatte, sagte sie das Unerhörte:
«Ci vuole una rivoluzione». Vielleicht. So sehr ich den Wunsch nach rascher Veränderung verstehe bin ich doch der Ansicht, dass etwas Neues erwach(s)en muss,tief in der Erde Wurzeln schlagen und ans Licht streben. «Small is beautiful». Die Stärke der Schweiz war immer ihre Kleinräumigkeit, die Subsidiarität und der Föderalismus. Seit sie sich wie eine aufgeplusterte Maus auf der grossen Bühne der Weltpolitik geriert, ist sie zur Nullnummer geschrumpft.
Wenn es eine Revolution braucht, dann eine von unten, der «vielen kleinen und grossen Leute». Eine jedes Einzelnen und keine von oben, links oder rechts.
Die Logik der Revolution sind die Jakobiner. Die Russische Revolution mit den Bolschewiken (Lenin). Deutschland mit Beendigung des Kaiserreichs und die Aufrichtung der Weimarer Republik. Der Erdrutschsieg der Nationalsozialisten bei der Reichstagswahl 1930. Die Geschichte der Nationalsozialistischen Diktatur kennen wir. Das Ende ebenso. Gorbatschow und seine Perestroika wird durch den Militärputsch mit Jelzin beerdigt. Damit meine ich, dass Machtkarussell wird ewig drehen. Es wird nie besser, nur anders.
Das Bessere ist immer der Feind des Guten und setzt eine für alle gültige Vorstellung voraus, was gut und schlecht sei. Was wiederum ja genau das Problem der positiven Ethik ist. Ich wäre schon mal froh, wenn „es“ wirklich anders würde.
Ein schöner Text. Weiss nicht ob du dies Buch kennst, aber es war eines der besten zum Thema, das ich in den letzten Jahren las: https://www.orellfuessli.ch/shop/home/artikeldetails/A1004757526
Vielen Dank für den Buchtipp!
Robert Nef
Über das, was „gerecht“ ist, gibt es mit guten Gründen sehr unterschiedliche Auffassungen. Friede ist wichtiger und konsensfähiger als Gerechtigkeit. Friede entsteht, wenn sich Menschen, die zusammenleben, gegenseitig unterschiedliche Auffassungen über Gerechtigkeit zugestehen. Eine mögliche Voraussetzung dafür ist die Überzeugung, dass nur Gott abschliessend weiss, was gerecht ist. Und für Menschen, die nicht an Gott glauben, weiss es eben niemand definitiv und allgemeingültig. Um in Freiheit friedlich zusammenzuleben braucht es keinen gemeinsamen Gottesglauben, sondern den Respekt vor dem Glauben bzw. Nicht -Glauben der anderen.
Danke für den überdenkenswerten Kommentar. Jeder, der zwar anders tickt aber keinem Dritten schadet, verdient Toleranz. Damit daraus Respekt wird, bedarf es m. E. etwas mehr. Eine Fähigkeit, die in der heutigen Dauererregung verlorengegangen scheint ist, eine Frage stehenlassen zu können, d.h. „agree to disagree“ und weiter anständig miteinander zu verkehren. Die Welt ist eben selten schwarz-weiss oder binär. Wenn ich zu A nein sage heisst das nicht, dass B für mich stimmt. Mir könnte auch C oder F zusagen.