Unvernunft des Glaubens

Jedes Jahr wird im deutschen Sprachraum das “Unwort des Jahres” gekürt, 2007 setzte sich die “Herdprämie” gegen “klimaneutral” und “entartet” durch. Zum schönsten Wort wurden die “Habseligkeiten” auserkoren, während die Kinderjury die “Libelle” aufs Podest hievte. Sosehr ich die Wahl der Expertengruppe teile, mein persönlicher Favorit ist und bleibt die Redewendung “Die Vernunft des Glaubens”, die ich zuletzt in der “Einführung ins Christentum” von Joseph Ratzinger gelesen habe: aus dem Munde eines absoluten Verfechters des Katholizismus mutet sie wie ein Widerspruch erster Güte an, eine contradictio in adiecto wie “weisse Rappen” oder “arme Reiche”.

Opium und andere Drogen
Immer wieder wird versucht, den Ungläubigen dem Gläubigen gleichzustellen, denn, so ein gängiges Argument, schliesslich gäbe es keine Beweise für die Nichtexistenz Gottes. Clark Adams, der leider viel zu jung verstorbene US-Bürgerrechtler, Humanist und Mitbegründer der Secular Coalition for America, meinte diesbezüglich augenzwinkernd: “Atheismus ist genau so wenig ein Glaube wie Glatzköpfigkeit eine Haarfarbe ist.” Der Arzt muss uns wohl kaum attestieren, dass wir NICHT krank sind!

Kürzlich unterhielt ich mich in einem Blog mit einem Christen, der sich wunderte, wieso Agnostiker “ihm seinen Glauben nicht gönnen”, der ihm doch so gut tue. Die Antwort, auch ein Süchtiger behaupte, dass ihm der Schuss wunderbare Gefühle beschere, liess der in seiner Sensibilität Verletzte nicht gelten. Nein, er unterstrich, ganz wie der spätere Papst im erwähnten Werk, dass ihn sein Credo nicht daran hindere, logisch zu denken, und entrüstete sich wortlaut über uns Häretiker, die seine Religion mit einer niedrigen Abhängigkeit verglichen. Dass ein grösserer Denker als ich die Droge schon vor mir benannt hatte, dieser Einwand blieb unerwidert im Raum stehen.

Respekt zolle ich unaufgefordert jenen Deisten, die es mit ihrem Gott wie Baruch Spinoza halten, Apostat und Vater aller Kirchenkritiker. Wie er vermuten sie ein ordnendes Prinzip in allem Sein, einen noch unerklärten Urspung und Sinn hinter der ganzen Himmelsmechanik. Über die Essenz der Dinge spekulierten Generationen von Naturwissenschaftlern und Forschern, so auch Albert Einstein. Obwohl er die Bibel als Sammlung archaischer Legenden abtat, liess ihn die Grandiosität des Kosmos auf einen “Gott” schliessen, der “nicht würfelt”. Dorthin folgt ihm auch heute mancher Kollege. Dass sich die letzte Wahrheit nur erahnen lässt, das leuchtet mir ein, zumal ich als Frau oft und gerne auf meine “Intuition” poche!

Zurück ins Nichts
Streiten muss ich mich hingegen mit jenen Zeitgenossen die, aufgeklärt und gebildet, mit oder trotz allem Verstand einem kindlichen Monotheismus frönen. Die “einfach” glauben. An ein Wesen, das sich unter all den Millionen von Galaxien genau unser kleines, bescheidenes Sonnensystem zu Herzen nimmt, von dem sich in spätestens 5 Milliarden Jahren in dieser Ecke des Universums keine Spur mehr finden lässt, sei’s wegen den bösen Meteoriten und schwarzen Löchern, sei’s wegen der Zentripetalkraft; das sich präzise den Homo sapiens aussucht, und ihm, je nach Epoche, Geographie, Herkunft und Neigungen vorgibt, wie sein Götterhimmel personell zu besetzen sei, wie sich die Brüder und Schwestern zu kleiden und frisieren haben, was sie mit sich und ihren Genitalien anstellen sollen, sich in den Speiseplan mischt, die Feiertage bestimmt. Pikanterweise glaubt dann ihr innerster Kern gar, dass Gott nicht nur in seinen Stärken und Schwächen uns Erdenbürgern ähnelt, gütig und rachsüchtig, fordernd und nachsichtig ist, er soll auch noch einen ganzen Hofstatt von Sonderbeauftragten nötig haben, um seine Botschaft fürs einfache Volk auszubuchstabieren, und sogar seinem Personal macht er Vorschriften zur Garderobe und Lebensführung.

Wer sowas nicht nur glaubt sondern auch in einen philosophischen Wettstreit mit der Evidenz und der Logik wirft sollte auf die eine oder andere spöttische Replik gefasst sein. Denn er verlangt ja nichts geringeres, als dass der versammelte Saal die Ratio auf Zusehen hin ausschaltet. Die Auseinandersetzung mit besagtem Blogger endete damit, dass er mir die rote Karte zeigte, worauf ich mich von ihm mit den Worten verabschiedete: Seien Sie versichert, Skeptiker und Atheisten fühlen sich auch gut. Weil sie unterwegs sind. Denn dort, wo Sie angekommen sind waren wir bereits, bevor die Reise losging. Und der Trip ist spannend, gefährlich, frustrierend und erhebend. Am besten geniesst man ihn HELLWACH, denn schlafen werden wir noch genug – eine ganze Ewigkeit lang!

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