Beten in der Krise

Pünktlich zum G8-Gipfel meldet sich der Papst zu Wort und bietet uns seine Analyse der Wirtschaftskrise dar. Sein Lösungsrezept lautet lapidar: Liebe und Wahrheit.  In seiner eben publizierten Enzyklika fordert er eine globale Aufsichtsbehörde, die nach den Grundsätzen seiner Heilslehre funktionieren soll. Da es doch unterschiedliche Vorstellungen von Wohlfahrt gibt, beginnen hier schon die ersten Interpretationsprobleme.

Liebe…
Es kann denn getrost behauptet werden, dass nicht alle mit der Definition der römisch katholischen Kirche, was als würdiger Lebensentwurf gelten dürfe, einverstanden sind. In “Caritas in Veritate” propagiert Benedikt XVI nämlich erneut exklusiv das katholische Modell der Familie, begründet auf der “heiligen” Ehe als einzige alleinseligmachende Form der Gemeinschaft von Mann und Frau.  Mehr noch, der Staat solle diese tatkräftig fördern und steuerlich und wirtschaftlich unterstützen. Pech für all die Singles, Alleinerziehenden, Patchworker und Anderssituierten.

Auf über 100 Seiten referiert der Oberhirte darüber, dass es in den heutigen schwierigen Zeit wieder Christen brauche, die ihre Arme nach Gott ausstrecken; da sind all die Banker und Parlamentarier, die sich in Gebetsgruppen formieren, um eine neue Finanz- und Weltordnung voranzutreiben,  voll auf Kurs. Leider zeigt der Vatikanchef eine klaffende Realitätsferne, ja mehr noch, absolutes Unwissen über die Zustände auf unserem Planeten, wenn er die “Abkehr von Gott” und die “atheistische Indifferenz” als Hindernis für die Entwicklung geisselt.

…und Wahrheit
Ein solches Statement erweist sich im Lichte aller Statistiken als pure Propagandalüge. Es genüge, auf den Human Development Index der UNO zu verweisen, wo eben jene Nationen obenaufschwingen, die sich weniger auf den Glauben als auf’s Machen und Wissen verlassen und eine relativ hohe Anzahl an Atheisten aufweisen: Kanada, Norwegen, Australien, Niederlande, Japan.

Hätte Josef Ratzingers mit seiner sozio-ökonomischen Diagnose recht, müsste Italien, das wie kaum ein anderes europäisches Land unter der Ägide des Vatikans steht,  auf den vordersten Plätzen rangieren.  Tatsächlich platziert es sich bloss an 19. Stelle, nach Irland und den nicht weniger frommen Vereinigten Staaten. Auch Saudi Arabien, das doch einiges an Reichtum produziert, schneidet in diesem Ranking eher dürftig ab (Platz 55), werden in diesem Report nicht nur Einkommen oder BIP sondern speziell auch Bildung, medizinische Versorgung, Teilnahme und Einfluss (insbesondere der Frauen) im öffentlichen und wirtschaftlichen Leben, individuelle Entfaltungsmöglichkeiten und Entscheidungsfreiheit berücksichtigt.

Quelle: http://hdr.undp.org/en/statistics/

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