Fremde unter uns

Menschen sind, solange sie leben, auf der Durchreise. Jeder muss sich irgendwann irgendwo integrieren. Gerade heute sind wir zur Mobilität gezwungen, was für viele den Verlust ihrer Wurzeln bedeutet. In den Ferien nennen wir uns Touristen – selten beliebt, werden wir jenseits der Grenze oftmals bloss als zahlende Kunden geschätzt und hofiert.

Es gehört zum guten Ton, dem Anderen wohlwollend zu begegnen. Evolutionsbiologisch wären wir Unbekannten gegenüber aber auf Abwehr programmiert. Verhaltensmuster, die wir mit Primaten teilen, bestimmen unsere Reaktionen bis heute. Im Urlaub mögen wir’s extravagant – zuhause passen wir uns automatisch dem sozialen Habitus an. Im Jobcenter werden “emotionale Kompetenz” und “Servicementalität”geübt, eingestellt wird der Alphatyp mit dem forschen Strahle-Lächeln. Und schon Kinder erfahren bei einem Umzug, dass ihnen – entgegen allen Versprechungen – in der neuen Klasse nicht nur positiv begegnet wird. Auch die kontaktfreudigsten unter uns haben zuweilen hart um Anerkennung zu kämpfen, bei einem Firmenwechsel, als Zugezogene im Quartiersverein oder beim Eintritt in einen noblen Golfclub.

Wasser predigen…
Auf nationaler Ebene gelten je nach Optik völlig unterschiedliche Massstäbe, was den Umgang mit Fremden anbelangt: Trifft Unrecht auf Minderheiten, wird schnell ein rassistisches Motiv vermutet. Passieren Übergriffe auf Einheimische, muss behutsam recherchiert werden, um die “latente Fremdenfeindlichkeit” nicht zu schüren. Gerade lese ich, dass die Schweiz ihre Anstrengungen in diesem Bereich verbessern muss. Der Bundesrat werde die im Rahmen der UNO-Menschenrechtskommission von Pakistan und Südafrika (wo Eingewanderte vom rasenden Mob getötet werden!) präsentierten Empfehlungen vollziehen, unter anderem eine  Institution zur Folterprävention errichten. Fast vermutet man in Regensdorf ein zweites Abu Graib! Ist es nun Schikane, wenn Schulbehörden Mädchen mit fundamentalistischem Background zum Schwimmunterricht verpflichten oder ist das gemischtgeschlechtliche Planschen, ob im Burkini oder Tanga, ein wichtiger Akt der Emanzipation? Vielleicht ist das Rollenverständnis etwas Privates und die Gleichberechtigung eine diskutierbare, feministische Marotte?

…und Wein trinken
Obwohl uns eine Pädagogin aus Baden-Württemberg kulturell näher steht als ein Sunnit aus Anatolien, thematisierte kürzlich eine grössere Schweizer Zeitung die “schleichende Germanisierung der Volksschule” und verwies auf die steigende Zahl von Fachkräften, die im deutschsprachigen Raum rekrutierte würden, um den hiesigen Lehrermangel wettzumachen. Schwingt da ein besorgter Unterton mit, Angst vor der Konkurrenz durch ausländische Eliten? Verrät das etwa einen primitiven Futterneid und gehorcht der “Komplex”der Alteingesessenen gegenüber ebenbürtigen oder bessersituierten Einwanderern einer Diskriminierung von unten nach oben, sozusagen dem Snobismus mit verdrehten Vorzeichen? Reiche Ausländer sind mehrheitlich Steuer- oder Wirtschaftsflüchtlinge – Migranten aus ärmlicheren Gegenden lassen sich primär wegen des gesunden Klimas bei uns nieder. Oder ist’s genauer betrachtet doch eher anders rum?

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