Drum prüfe…

Vor kurzem erst habe ich meine Zweifel über die Glaubwürdigkeit der UNO geäussert und mich gefragt, ob der Beitritt der Schweiz ein weiser Schritt gewesen sei, wenn die jüngsten Empfehlungen der Menschenrechtskommission uns in die Nähe von “Schurkenstaaten” rücken und Bern zur Bekämpfung der Folter und der Ausländerfeindlichkeit angehalten wird. Persönlich fühle ich mich durch den Vorwurf des kollektiven Rassismus beleidigt. Aber nein, schreibt unser Botschafter, Blaise Godet, als Mitglied sei man halt unter ständiger Beobachtung, da müsse man Kritik vertragen können. Bereits darf man gespannt sein auf die Stellungnahme des Bundesrates in Bezug auf die Vereinbarkeit von Volksinitiativen mit den universellen Menschenrechten. Der Einsitz im Glaspalast wird von vielen als wichtiges Zeichen gewertet: nur so könne man sich direkt Gehör verschaffen, der Wohlstand unseres Landes erzeuge nunmal viel Neid und Argwohn. In einem Leserforum vertritt ein Optimist die Meinung, unsere Repräsentanten, ob Banquiers, Unternehmen, Sportler, Künstler oder eben die Regierung müssten sich auf der internationalen Bühne besonders positiv hervortun und so um Goodwill werben.

…wer ewig sich bindet
Ab und zu muss erwähnt werden, dass die Vereinten Nationen ein riesiger Apparat sind, der die Probleme der Menschheit verwaltet, nicht löst. In unzähligen Ausschüssen und Büros werden Partikularinteressen vertreten, Delegierte und Funktionäre erarbeiten Protokolle, “CO2-Sünder” wie Österreich werden gerügt, obwohl sich die Erde – mutmasslich aufgrund veränderter Sonnenaktivität – abzukühlen scheint; Reformen werden blockiert, im Sicherheitsrat ebenso wie in der WTO, wo die Doha-Runde am Agrarprotektionismus der Industrieländer scheiterte. Kläglich fällt die Bilanz dann auch betreffend dem obersten Ziel der Charta aus, den Frieden und die Sicherheit auf dem Globus zu wahren. Was vermochte das Weltgewissen gegen Ruanda, Dafur, das nordkoreanische Atomprogramm, was die Proteste gegen den Irakkrieg?

Auf dem diplomatischen Parkett geniesst die Schweiz als neutrale Vermittlerin traditionell hohes Ansehen. Keine Chance räumen Vermählungswillige der widerspenstigen Eidgenossenschaft für den Fall ein, dass sie weiterhin privilegierte Partnerschaften entwickeln, ihren Weg jedoch unbeirrbar allein gehen sollte: wenn’s unseren Nachbarn nicht gefalle, würden wir in “splendid isolation” kaum überleben. Unsere politische Unabhängigkeit hat aber genau das ermöglicht, uns aus den Grabenkämpfen herauszuhalten, im Windschatten der “Grossen” die eigenen Nischen zu pflegen und dabei den Verfolgten der Erde Zufluchtsort und neue Heimat zu sein. Den Befürwortern einer Zweckehe mit Brüssel kann ich nur entgegnen, dass die Geschichtsbücher voller unseliger Allianzen sind.

Hoher Brautpreis
Die Mitgift der Europäischen Union, die viele Heiratsfreudige mit ihren Verheissungen betört, könnte sich als Trojanisches Pferd erweisen: sie ist nicht mehr bloss Absatzmarkt mit Millionen von Konsumenten sondern zeigt ernstzunehmende hegemonische Ambitionen. Neu wurde die Funktion des “Aussenministers” geschaffen. Jedes Amt strebt nach Einfluss, jede Organisation nach Macht. Was bliebe, wenn wir das Schicksal unseres Landes ganz in fremde Hände legen würden? Nur die schöne Kulisse! Seine inneren Werte, die Volksrechte, die Autonomie der Gemeinden sind mit keinem zentralistischen Staatengefüge kompatibel. Gewachsene Freiheiten wären plötzlich verhandelbar, die direkte Demokratie ebenso wie der Milchgehalt einer echten Schweizer Schokolade.

Die bilateralen Verträge setzen uns einem enormen Harmonisierungsdruck aus. Bald wird über die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien befunden. In Italien werden rigoros Roma-Siedlungen zwangsgeräumt, es kam zu zahlreichen Verhaftungen krimineller und ungemeldeter Migranten. Nachdem Berlusconi seine Wahlversprechen einzulösen versucht und Bewegung in die lasche Einwanderungspolitik seiner Vorgänger bringt, sieht sich Brüssel nach monatelangem Tauziehen gezwungen, endlich über die sogenannte Rückführungsrichtlinie zu befinden; deren Entwurf sieht unter anderem die “Ausschaffungshaft” nach italienischem Muster vor. Gegner der Verschärfung sprechen schon von verschleierter Deportation, von einem Persilschein für fremdenfeindliche Willkür.

Unüberbrückbare Differenzen
Das Acquis communautaire ist voller Überraschungen. So musste der Zirkus Knie seinen Bestuhlungsplan ändern und sich der EU-Norm über “fliegende Bauten” anpassen. Dass dabei ein neues Zelt angeschafft werden muss, mag als langfristige Investition durchgehen. Wenn Bundesgerichtsbeschlüsse in Strassburg entkräftet werden, kann kaum mehr von einer Bagatelle die Rede sein. Im letzten Jahr entschied das europäische Tribunal für Menschenrechte in sechs von sieben Fällen gegen die Schweiz. Von wenigen Tagen wurde bekannt, dass die behördlich angeordnete Wegweisung eines wegen Körperverletzung, Raub, Vermögens- und Strassenverkehrsdelikten mehrfach verurteilten Türken dessen Anspruch auf Privat- und Familienleben verletze. Die Straftaten seien von “relativer Schwere”, seine Bindungen zum Herkunftsland schwach. Ist es nicht alleroberste Pflicht des Staates, seine Bürger zu schützen? Die Tatsache, dass der Mann schon als Kind zu uns kam und sich den Regeln der zivilisierten Gemeinschaft nicht im geringsten verpflichtet fühlte, sprechen nicht für sondern gegen eine Rückkehr in die Schweiz.

Eine Justiz, die Täter mehr schützt als Opfer, kann nach meinem Empfinden keine moralische Authorität haben. Wenn Gewalt relativiert wird, Intoleranz Toleranz einfordert, Minderheiten über Mehrheiten bestimmen wollen, Religionen gegen wissenschaftlichen Fortschritt und Laizismus rüsten, hat die Zeitenwende bereits begonnen: “Sie wollen ein Bild der Zukunft? Stellen Sie sich einen Stiefel vor, der in ein menschliches Antlitz tritt, immer und immer wieder”, beschrieb Orwell vor knapp 60 Jahren den Untergang des Individuums in einem totalitären Überwachungsstaat, zugrundegerichtet durch inhumanes Beamtentum, Gesinnungsdiktat, Verlogenheit und systematische Manipulation der Wahrheit. Ist so gesehen “1984” nicht längst Realität?

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