Ich verweise immer wieder auf das Büchlein meines Landsmannes Prof. Dr. Carlo Cipolla zu den Basic Laws of Human Stupidity. Es ist kurz und bündig und sollte Pflichtstoff sein, weil es den Schülern die Augen für die grösste Bedrohung für die Welt öffnet: Dummheit. Es ist in verschiedene Sprachen übersetzt erhältlich. Unter dem Titel Allegro non troppo, deutsch im Verlag Klaus Wagenbach erschienen, enthält es eine spritzige Abhandlung der Rolle der Gewürze und eben die Prinzipien der menschlichen Dummheit.
Der Wirtschaftsprofessor untersucht mit wissenschaftlichem Furor und einer Prise Humor eine Konstante in der Geschichte unserer Spezies, und kommt zu Erkenntnissen, die den Leser belustigt aber zugleich beunruhigt zurücklassen. Er staunt, dass es uns noch gibt. Wohl aus purem Glück und wer weiss, wie lange noch.
Unselige Einfalt
Cipolla unterscheidet die Menschen in Dumme, Naive, Banditen und Intelligente, inkl. Diagramm für Kombinationen und Schnittstellen. Der Masstab ist der Schaden/die Schädlichkeit ihrer Handlungen für andere.
Die rund 10 Prozent ausmachenden “Banditen” wie er sie nennt nützen die grosse Mehrheit der Naiven und Dummen zum eigenen Vorteil aus. Sie sind aber bei weitem nicht so gefährlich wie Letztere, denn es ist in ihrem Interesse, die Beute weiter leben und für sich arbeiten zu lassen.
Die zahlenmässig deutlich unterlegenen Intelligenten handeln so, dass sich eine win/win Situation für alle Beteiligten ergibt. Zudem bemühen sich seit jeher, das Schlimmste zu verhindern.
Naive sind Opfer der Banditen, die es nicht nur als Drogenbosse oder Diebe gibt. Sie kommen auch in anmutiger Gestalt daher. In die Kategorie der Naiven fallen z. Bsp. Männer, die den Damen die Welt zu Füssen legen nur, um regelmässig mit denselben getreten zu werden.
Es gibt mehr Dumme als Böse
Dumme nun: ihr Anteil ist konstant in allen Gruppen: jeder Haarfarbe, Gesellschaftsschicht, Beruf, Ethnie, Nation, Geschlecht, Altersgruppe. Unter Akademikern wie Kaminfegern. Auf dem Land und in der Stadt.
Wo immer sie auftauchen, richten sie Unheil und Leid an, ohne direkt einen eigenen Nutzen davon zu haben: Beamte, die säumige Falschparker bis ins Gefängnis verfolgen bei gleichbleibendem Salär. Oder Eisverkäufer in Sibirien.
Die Intelligenten verkennen stets das Ausmass, die Verbreitung und Gefährlichkeit der Dummheit, insbesondere in Chefetagen.
Eine Unterkategorie, die Cipolla aussen vor lässt, aber auch ein gehöriges Schadenpotential haben, sind die Eitlen.
Im Film „The Devil‘s Advocate“ sagt Al Pacino, grosssartig in der Rolle des Leibhaftigen: „Vanity, definitely my favorite sin.“
Am brenzligsten wird es, wenn Dumme, Eitle und Naive die Oberhand gewinnen, weil die Intelligenten aufgeben oder die Katastrophe zu spät erkennen. Wenn wir in den Tagesthemen mitansehen, wie schnell uns dieses Trio Infernale in die Apikalypse reitet, ist es vielleicht gescheiter, seine Seele den teuflischen Mephistos statt den Heiligen Gretas zu verkaufen.