Der Anker im Sturm

Das Finanzdebakel nimmt ungeahnte Ausmasse an. Und schon werden Stimmen laut, die Staatsgarantien und Einlagenschutz fordern. Sogar alt 68er, die um ihre Rente und den Lebensabend in der lieblichen Toskana fürchten, finden sich unter den wiedergeborenen Interventionisten. Nur schon das Vokabular inspiriert dazu, Analogien zwischen Religion und Börsenhype zu suchen.

Wer in der Not nach Vater Staat ruft zeigt sich genauso „gläubig“ wie der Katholik, der im Beichstuhl gelobt, alles zu tun, damit Gott ihn aus der selbstverschuldeten Bredouille rettet. Die Jongleure, Spekulanten und Raubkapitalisten sollen für unser aller Sünden büssen, haben sie doch die Redlichen und Aufrechten ins Verderben geführt. Dabei wurde die Spirale von jedem Einzelnen angekurbelt, über alle Jahrgänge hinweg, Wohlhabende und Normalverdiener, Treuhänder und Manager, die gierig und dumm, gegen jede Vernunft, auf ewig steigende Renditen hofften. Die den Analysten glaubten, die das Hohenlied des grenzenlosen Profits vorbeteten, was sogar Kleinsparer dazu verleitete, sich an riskanten Geschäften zu beteiligen.

Millionen von mehr oder weniger begüterten Anlegern erwarten die Erfüllung der dreistesten Marktprognosen. Genauso, wie sie dem Pfarrer vertrauen, der ihnen von der Allmacht Gottes erzählt. Gütig und blind für individuelle Verdienste oder Verfehlungen werde der Gelobte alle Menschen in die Herrlichkeit führen, das Opfer neben dem reuigen Täter, den Dieb wie den Bestohlenen, den Wolf mit dem Lamm in Harmonie vereint. Zuvor möge er aber doch gnädigst seine schützende Hand über die vermaledeiten Aktien-Portefeuilles halten, solche Stossgebete werden dieser Tage wohl zuhauf aus den Handelsplätzen rund um den Erdball gen Himmel geschickt.

Fiat money – es werde Geld
Eigentlich birgt jede Krise die Chance für einen Neuanfang, aber die gegenwärtige scheint das gesamte ökonomische System zu gefährden. Da kann man den Leuten nicht reinen Wein einschenken, das könnte zu unkontrollierbaren Bürgerreaktionen führen. Schon sind die Erlöser zur Stelle, beerdigen den Liberalismus, schnüren Pakete und spannen Auffangnetze mit den öffentlichen Mitteln, die ihnen fehlen – und von denen letzlich die Hauptverantwortlichen der Misere, d.h. grosse Kreditinstitute, Vermögensverwalter, Investment Banken u.ä. profitieren.

Wenn der Mensch sich ängstigt sind Seelenfänger nicht weit. So nutzt Benedikt XVI die Gunst der Stunde, um seine Schäfchen zu trösten, erneut den Materialismus und gottlosen Fortschrittsglauben zu geisseln. Um dazu aufzurufen, sich dem Schöpfer zuzuwenden, nur er könne den Verunsicherten stützen, den Gestrauchelten vor der Verzweiflung bewahren. Da trifft es sich bestens, dass Rai1 mitten in diesen schweren Zeiten mit einem absoluten Highlight startet: die Marathon-Lesung der gesamten Bibel vom 5 – 11 Oktober, zu Sendezeiten, bei denen die Jüngsten mit ihrer Ferrero-Kinderüberraschung vor dem Fernseher sitzen. Den Auftakt macht der Papst persönlich mit der Genesis: „Und Gott schuf die Welt“ – aus dem Nichts.

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